Afghanistan

Kriegerische Vergangenheit – ungewisse Zukunft

Afghanistan ist eines der ärmsten und fragilsten Länder der Welt. Jahrzehnte des Krieges haben tiefe Wunden geschlagen. Als die Taliban (radikale Islamisten) von 1996 bis 2001 erstmals an der Macht waren, übten sie eine brutale Herrschaft aus. Was ihrer Interpretation des Islams zuwiderlief, wurde gnadenlos bekämpft. Bildung im westlichen Sinn war verpönt, Mädchen und Frauen wurde sie ganz verboten. Den Frauen verordneten die Taliban einen faktischen Hausarrest.

Mit ausländischer Unterstützung gelang es, die Taliban zurückzudrängen, aber Frieden kehrte nicht ein. Korruption und Machtmissbrauch waren verbreitet, demokratische Institutionen blieben schwach. Als 2021 die internationalen Truppen abzogen, übernahmen die Taliban wieder die Macht. Die Lage für die Menschen im Land ist dramatisch: Zur Angst vor den Taliban kommt grosse materielle Not. Viele versuchen zu flüchten.

 

 

Unsere Hilfe für Afghanistan

Humanitäre Hilfe

 

  • Lebensmittel für Flüchtlinge im Grenzgebiet Usbekistans.
     

Ausführlichere Informationen zu Afghanistan

Afghanistan (offiziell Islamisches Emirat Afghanistan) liegt an einem strategisch wichtigen Punkt zwischen Süd- und Zentralasien, zwischen dem Nahen Osten und dem indischen Sub-Kontinent. Ein Viertel der Landesfläche sind schwer zugängliche, gebirgige Landschaften. Im Sommer ist es heiss und trocken, im Winter sehr kalt. Landwirtschaftlich nutzbar sind nur rund 6 % der Fläche und auch dies nur, wenn künstlich bewässert wird. Das wird aber schwieriger, weil Flüsse und Seen austrocknen. Trotzdem ist Afghanistan der größte Opiumproduzent der Welt.

80 % der Bevölkerung Afghanistans leben auf dem Land, nur 20 % in den Städten. Das Durchschnittsalter ist sehr tief, die Bevölkerung wächst rasch. Die allermeisten Frauen haben keinerlei Zugang zu Verhütungsmitteln, viele werden schon sehr jung schwanger.

In Afghanistan leben fast nur Muslime. Der Islam ist über die Jahrhunderte sehr konservativ ausgelegt worden. Die Lage der christlichen Minderheit ist extrem schwierig, für Konvertiten wird von vielen Seiten die Todesstrafe gefordert. Humanitäre Hilfswerke unterstehen strengen staatlichen Kontrollen.

1979 besetzte die Sowjetunion das Land. Guerilla-Gruppierungen, die so genannten Mudschahidin, bekämpften die sowjetischen Truppen und die von ihnen gestützte kommunistische Regierung. Die Vereinigten Staaten, Pakistan und Saudi-Arabien unterstützten sie finanziell und materiell. Nach dem Abzug der sowjetischen Truppen 1989 bekämpften sich die Mudschahidin gegenseitig.

Die siegreichen Taliban setzten ihre radikale Interpretation des Islams und insbesondere die Scharia mit aller Härte durch. Das bekamen Frauen und Mädchen am stärksten zu spüren. Frauen wurden weitgehend ins Haus verbannt, es war ihnen verboten, berufstätig zu sein und in der Öffentlichkeit wurde das Tragen einer Burka Pflicht. Mädchen durften nicht zur Schule gehen. Die Qualität der Bildung ist aber auch für Buben sehr niedrig, viele besuchen lediglich Koranschulen, wo sie vorwiegend religiös unterwiesen werden.

Den Taliban gelang es nicht, das ganze Land unter ihre Kontrolle zu bringen, verschiedene Kräfte stellten sich ihnen entgegen. Der Bürgerkrieg forderte viele Opfer, unzählige Menschen wurden vertrieben oder flüchteten. Nach den Terroranschlägen von 2001 in den USA griffen diese in Afghanistan ein. Ein Militärbündnis unter US-amerikanischer Führung tat sich mit afghanischen Kräften zusammen und vertrieb die Taliban in den meisten Landesteilen von der Macht. Es folgten Schritte Richtung Demokratisierung, wobei internationale Truppen im Rahmen eines UNO-Mandates die Sicherheit gewährleisteten. Viele Taliban flohen nach Pakistan, wo sie sich neu formierten. Es folgten unruhige Jahre mit zahlreichen blutigen Anschlägen gegen afghanische Zivilisten sowie auch gegen die internationalen Truppen im Land.

2020 unterzeichneten die USA ein Friedensabkommen mit den Taliban: Truppenabzug gegen Friedensgespräche und ein Ende des Terrorismus waren die Kernpunkte. Im Juli 2021 verliessen die letzten internationalen Truppen das Land und innert Tagen waren die Taliban zurück an der Macht. Würden sie wieder gleich brutal herrschen, fragten sich die Menschen. Nachdem Hardliner an alle Schlüsselstellen gesetzt wurden, schwand die Hoffnung. Zur Angst vor dem Regime kommt grosse materielle Not. Viele versuchen zu fliehen.

 

Enorme Armut
Afghanistan ist eines der ärmsten und fragilsten Länder der Welt. Mehr als die Hälfte der Afghanen leben unter der Armutsgrenze. Etwa 70 % der Menschen haben keinen Zugang zu Trinkwasser. Selbst ein Professor oder Richter verdient nur etwa 50 Dollar pro Monat. Darum müssen oft auch die Kinder arbeiten, beispielsweise als Wasserträger, Kartonsammler, Schuhputzer oder Gehilfen. Manche Kinder betteln. Die Gesundheitsversorgung ist sehr schlecht: Spitäler gibt es nur wenige und oft sind sie unerreichbar weit entfernt. 2018 konnten nur 43 % der Erwachsenen (und keine 30 % der Frauen) lesen und schreiben. Das erschwert den Wiederaufbau des Landes sehr.

 

Gewalt gegen Frauen  
Frauen in Afghanistan haben es schwer. Allein in Kabul gab es als Folge des Krieges 30'000 Witwen, die irgendwie überleben müssen. Vielen bleibt nur das Betteln übrig. Übergriffe gegen Frauen, Entführungen und Vergewaltigungen sind verbreitet. Gemäss einem Gesetz aus dem Jahr 2009 müssen Ehefrauen ihrem Mann jederzeit sexuell zur Verfügung stehen. Dadurch ist es praktisch unmöglich, eine Vergewaltigung innerhalb der Ehe zu ahnden.
Frauen dürfen nur von Frauen medizinisch betreut werden. Weil es viel zu wenig weibliches Fachpersonal gibt, haben viele Frauen überhaupt keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung. Daher hat Afghanistan eine sehr hohe Müttersterblichkeit und weltweit die höchste Säuglingssterblichkeit.

 

Gewalt gegen Kinder
In Afghanistan wird etwa ein Drittel der Mädchen zwangsverheiratet, wenn sie zwischen 10- und 14-jährig sind. Der Bräutigam ist in aller Regel erheblich älter. Manche Mädchen sterben bei der Geburt ihres ersten Kindes, weil sie viel zu jung fürs Mutterwerden sind. Viele junge Frauen leiden unter häuslicher Gewalt, Armut, dem Patriarchat, mangelnder Bildung und Geringschätzung ihrer Person. Manche versuchen, dem Leiden ein Ende zu setzen, indem sie ausreissen oder sich das Leben nehmen.

Buben werden als Kindersoldaten rekrutiert, obschon das seit 2018 gesetzlich verboten ist. Eine Gefahr für Buben aus armen Familien besteht weiter darin, als «Bacha Bazi» zu enden, eine Art Sexsklave für ältere Männer. Obschon verboten wird dieser Missbrauch nicht geahndet, weil Reiche und hochrangige Politiker beteiligt sind.


Quellen
Afghanistan, www.eda.admin.ch,
Kinder in Afghanistan, www.humanium.org,
Afghanistan, www.liportal.de, (Das Portal wurde am 30.6.2021 eingestellt.)
Mit Mullahs und Journalisten gegen Kinderheirat, www.tdh.de, 17.12.2018
Bacha Bazi – Die dunkle Wahrheit, www.fluechtling-magazin.de, 11.01.2019 (Ab 09.09.2020 heisst das Fluechtling-Magazin neu kohero.magazin.de.)

 

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