Rumänien

Das ärmste der EU-Länder

Rumänien ist seit 2007 EU-Mitglied, aber alles andere als europäischer Durchschnitt. Wirtschaftlich rangiert das Land am Ende der Skala, Armut und Arbeitslosigkeit sind weit verbreitet. Entsprechend versuchen viele Rumänen ihr Glück im Ausland – mit mehr oder weniger Erfolg. Die gut Ausgebildeten von ihnen fehlen inzwischen in der Heimat, wo Unternehmer keine Fachkräfte, Spitäler keine Ärzte finden.

Die Roma, eine bedeutende Minderheit im Land, sind stärker von Armut betroffen als die übrigen Rumänen, viele ihrer Kinder gehen kaum oder gar nicht zur Schule, viele Erwachsene sind bloss Tagelöhner. Obschon das Gesetz Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit verbietet, schauen viele Rumänen auf die Roma herab, benachteiligen sie bei der Arbeits- oder der Wohnungssuche und stören sich nicht daran, dass sie in Slums leben, weitgehend ausgeschlossen vom Gesundheitswesen.

Wo die Armut gross ist, haben Menschenhändler leichtes Spiel. Kinder, insbesondere solche aus Roma-Familien, werden «zum Geldverdienen» nach Westeuropa gebracht, müssen dort aber betteln oder stehlen. Rumänische Frauen, die im Westen eine gute Stelle suchen, landen als Prostituierte in Bordellen oder auf dem Strassenstrich.

 

Unsere Hilfe in Rumänien

Gewerbeförderung

  • Aufbau von Familienbetrieben unter Roma
  • Kreditprogramme

 

Sommerlager

  • Lager für behinderte Kinder und Jugendliche

 

Ausführliche Informationen zu Rumänien

2007 wurde Rumänien EU-Mitglied, 18 Jahre nachdem es sich in einem revolutionären Aufstand seines Langzeitherrschers Nicolae Ceaușescu entledigt hatte. Die kommunistischen Jahre wirkten aber noch lange nach. Zum einen waren manche Kader der einstigen kommunistischen Partei nach wie vor an den Schalthebeln der Macht, einfach unter anderem Partei-Etikett. Zum anderen verschwanden manche Gewohnheiten nicht so schnell. Auf Forderungen nach Transparenz und einer unabhängigen Justiz reagierte die alte Garde mit Widerstand, denn sie sah ihre Pfründen schwinden.

Rumänien bleibt eines der ärmsten Länder der EU. Besonders arm sind die Leute im Osten an der Grenze zu Moldawien und die Volksgruppe der Roma. Es gibt EU-Hilfe für Arme, aber diese landet nicht immer dort, wo sie sollte. Viel zu oft kommt es vor, dass rumänische Verantwortliche EU-Gelder für ihre eigenen politischen Zwecke missbrauchen, zum Beispiel, um sich Wählerstimmen zu sichern.

 

Nicht genug zum Leben
400 bis 600 Euro beträgt ein durchschnittlicher Monatslohn in Rumänien, das bei Lebenshaltungskosten, die nicht so viel unter westeuropäischem Niveau liegen. Manche verdienen sogar noch weniger. Gegen 10'000 Kleiderfabriken mit schätzungsweise einer halben Million Angestellten gibt es in Rumänien und sie sind bekannt dafür, dass sie Hungerlöhne zahlen. Selbst wer 100 % arbeitet, kann davon nicht leben. Beantragt jemand einen Kredit, um eine Notlage zu überbrücken, wird dafür 15 % Zins verlangt. Die EU hat bisher nichts gegen solchen Wucher unternommen.

Viele Rumänen haben gar keine bezahlte Arbeit und auch keine Hoffnung, vor Ort eine Stelle zu finden. Etwa vier Millionen arbeiten darum im Ausland, das ist etwa jeder fünfte. Die gut Ausgebildeten, die gehen, fehlen in Rumänien – und die schlecht Ausgebildeten haben auch anderswo schlechte Karten und riskieren, in ausbeuterische Arbeitsverhältnisse zu geraten. Zudem zerreisst die Arbeitsmigration Familien. Ausgewanderte Rumänen findet man als Erntehelfer, in der Paketbranche oder der Fleischverarbeitung, Rumäninnen auch in der Pflege.

Der Wegzug gut Ausgebildeter, der so genannte Brain-Drain, ist ein grosses Problem. Rumänischen Firmen fehlen die Facharbeiter und aufgrund des Ärztemangels ist das Gesundheitswesen desolat. Manche probieren, die Lücken mit Moldawiern, den Nachbarn im Osten, zu füllen. Doch diese ziehen lieber weiter nach Westen oder dann nach Russland. Und selbst wenn man in Moldawien Fachkräfte rekrutieren könnte, würden sie schliesslich dort fehlen.

 

Roma – ein Volk am Rand der Gesellschaft
Europa zählt zehn bis zwölf Millionen Roma und Sinti. Ein grosser Teil der Roma lebt in Rumänien, Bulgarien, Serbien, Nordmazedonien oder Kosovo. In Rumänien allein gibt es eine bis zwei Millionen Roma. Früher wurden die Roma als Zigeuner bezeichnet, heute wird in amtlichen Dokumenten nur noch der Begriff Roma verwendet. Nicht alle Rumänen sind darüber glücklich, besonders solche, die Roma nicht als rumänische Staatsbürger betrachten. «Roma» sei zu nah an «Romani» (Rumänier) meinen sie. Als Schimpfwort ist «Zigeuner» noch gang und gäbe.

Die meisten rumänischen Roma leben am Rand der Gesellschaft, sie sind doppelt so häufig arm wie die übrigen Rumänen. Das hat viele Ursachen: Viele Roma sind arbeitslos, weil sie wegen schlechter Bildung keine Stelle finden. Erschwerend kommt hinzu, dass Misstrauen gegenüber Roma in der Gesellschaft weit verbreitet. Entsprechend sind viele Roma Tagelöhner, die in Slums an Ortsrändern leben und kaum Zugang zum Gesundheitswesen haben. Weil viele Roma-Kinder nicht zur Schule gehen, bleiben sie in der Armutsspirale.

 

Menschenhandel
Menschenhändler und andere Kriminelle aus dem Roma-Volk verstärken leider dessen schlechten Ruf. Bandenchefs, häufig Roma, bieten armen Familien an, ihre Kinder – in der Regel Teenager – gegen Bezahlung ins Ausland zu bringen, damit sie dort etwas verdienen. Das kostet pro Kind etwa 1000 Euro. Die Summe übersteigt die Möglichkeiten der meisten Eltern und so wird ihnen gleich auch ein Kredit angeboten, zu hohen Zinsen natürlich. Ohne Job wird das Zurückzahlen schwierig, so dass die Banden dann das nächste Kind «übernehmen». Sind die Kinder einmal in London, Paris oder anderen Städten Westeuropas, müssen sie betteln, stehlen oder in Privathaushalten schuften. Dabei werden sie wie Sklaven behandelt.

Kaum ein Bandenchef wird für solches Tun zur Rechenschaft gezogen. Zu gross ist die Angst der Opfer und ihrer Familien, die so lange bedroht und drangsaliert werden, bis sie resigniert aufgeben und nie aussagen würden. Mit der Justiz in Konflikt geraten hingegen die Kinder, wenn sie beim Stehlen oder Betteln erwischt werden. Eine 13-Jährige wurde zehnmal verhaftet, jedes Mal schob sie eine andere Identität vor. Manchmal werden die Eltern der Kinder in das illegale Tun hineingezogen, um das Geschäft zu schützen. Und das Geschäft ist lukrativ: Ein Kind bringt etwa 160'000 Euro pro Jahr. Es gibt Hinweise, dass eine einzige berüchtigte Bande seit 2002 gegen 10'000 Kinder verschleppt hat.

Viele rumänische Frauen, die auf der Suche nach gut bezahlter Arbeit nach Westeuropa kommen, landen in der Prostitution. Von denen, die sie mit schönen Versprechen gelockt haben, werden sie schamlos ausgebeutet. Solche Frauen gibt es auch in der Schweiz.

 

Quellen
Armut in Rumänien – Roma am meisten betroffen, www.ard-wien.de, 16.07.2017
Zwischen Ausgrenzung und Armut, www.wn.de, 17.06.2019
Deutsche Modeunternehmen profitieren von Armutslöhnen in Rumänien, www.fashionunited.de, 20.05. 2019
Rumänien – Die Schattenseiten der Arbeitsmigration, www.kurier.at, 27.02.2018
Antiziganismus in Rumänien - Profitieren rumänische Roma vom EU-Vorsitz?, www.deutschlandfunk.de, 2.2.2019
Europäische Kinderhändler zwingen tausende rumänische Roma-Kinder, zu betteln und zu stehlen. Nun wurden die mutmasslichen Täter freigesprochen. Warum?, www.nzz.ch, 19.02.2020
In der „Legebatterie“: Prostitution in Deutschland, www.dw.com, 21.06.2018

 

 

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